Das im Juli 2019 vom nordrhein-westfälischen Landtag beschlossene neue Hochschulgesetz bringt die Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HAW) in NRW einem wichtigen Ziel deutlich näher: einem eigenständigen Promotionsrecht. Das neue Gesetz sieht vor, das bestehende Graduierteninstitut für angewandte Forschung, das seit 2016 kooperative Promotionen zwischen Universitäten und Fachhochschulen unterstützt, in ein Promotionskolleg zu überführen und diesem nach einer positiven Beurteilung durch den Wissenschaftsrat das Promotionsrecht zu verleihen. Damit wären in NRW erstmals Promotionen an einem allein von den HAW getragenen Promotionskolleg möglich, ohne dass eine institutionelle Beteiligung der Universitäten vorgeschrieben ist.
Universitäten erkennen keinen Benefit
Professor Dr. Martin Sternberg sieht diese Entscheidung sehr positiv. Er ist Professor für Physik an der Hochschule Bochum und Vorsitzender des Graduierteninstituts sowie Mitglied des Wissenschaftsrats. „Es hat sich deutlich gezeigt, dass kooperative Promotionen nicht ausreichen. Die HAW bieten interessante Themen und attraktive Forschungspartnerschaften, dennoch führen die Vereinbarungen mit den universitären Fakultäten oft nicht zum gewünschten Ziel, da diese darin keinen Benefit erkennen können. In der Regel sind für sie weder finanzielle Vorteile noch ein besonderes Renommee mit diesen Kooperationen verbunden. Da bleiben viele hervorragende Promotionsprojekte auf der Strecke.“
Ein weiteres Problem sei die hohe Auslastung an den Universitäten und die damit verbundene fehlende Kapazität, weitere Promovierende von den HAW zu betreuen. Schwierigkeiten gebe es häufig durch unangemessene Vorleistungen, die von HAW-Absolventinnen und -Absolventen vor einer kooperativen Promotion verlangt würden, oder eine fehlende Zusammenarbeit mit HAW-Professorinnen und -Professoren auf Augenhöhe. Gut laufe es hingegen vor allem bei Promotionen in der Sozialen Arbeit.
Ausdifferenzierung und Forschungscluster
„Wir werden das Promotionskolleg möglichst zum Beginn des neuen Jahres gründen“, sagt Sternberg. Parallel zum Aufbau der neuen Strukturen sollen aber zunächst die kooperativen Promotionen gemeinsam mit den Universitäten fortgeführt werden. Als mögliche Kriterien für die anstehende Evaluation durch den Wissenschaftsrat nennt Sternberg die Ausdifferenzierung innerhalb der Disziplinen, die Zusammenarbeit der beteiligten Fachbereiche in Forschungsclustern und die vorliegende Strukturierung der Doktorandenausbildung.
Hinzukommen sollten eine qualitätsgesicherte Betreuung und Begutachtung, aber auch die Qualifizierung der Betreuenden an den HAW sowie die nationale und internationale Vernetzung. Sternberg betont: „Das Promotionskolleg wird sich in einer strengen wissenschaftsgeleiteten Begutachtung bewähren müssen und ist somit im Falle einer positiven Beurteilung über jeden Zweifel an der wissenschaftlichen Qualität erhaben.“
Zum Interview mit Prof. Dr. Martin Sternberg
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