Welche Auswirkungen hat die Corona-Krise auf Ihren Hochschulalltag?
Pandemiebedingt arbeite ich größtenteils im Homeoffice. Für meine Lehrveranstaltungen ist das kein Problem. Auch viele Studierende begrüßen die neuen Möglichkeiten, die die digitale Lehre mit sich bringt, etwa die Zeitersparnis, weil man nicht mehr für jede Vorlesung zur Hochschule pendeln muss. Um meine Forschungsvorhaben voranzutreiben und beispielsweise Experimente zu machen, muss ich jedoch vor Ort im Labor sein. Angewandte Forschung komplett ins Homeoffice zu verlagern ist schwierig.
Wie erleben Sie derzeit die Kooperation zwischen Hochschule und Wirtschaft?
Da wir hauptsächlich mit kleinen und mittelständischen Unternehmen kooperieren, die von der Corona-Krise besonders gebeutelt sind, ist die Zusammenarbeit teilweise schwieriger geworden. Von Hochschulseite sorgen wir uns insbesondere um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, deren Stellen an Kooperationsprojekte angedockt sind. Sollten Projekte durch die Krise wegfallen, brechen uns auch die jeweiligen Stellen weg. Wir haben uns deshalb schon vor Ostern bemüht, die Kooperationen mit der Industrie zu intensivieren und vermehrt Projektanträge geschrieben. Glücklicherweise liegt die Biopolymerforschung derzeit im Trend; es sieht also ganz gut aus. Nichtsdestotrotz macht die Corona-Krise nochmal deutlich: Wir brauchen an den Hochschulen für angewandte Wissenschaften dringend mehr haushaltsfinanzierte Stellen.
Zu welchen konkreten Themen forschen Sie?
Meine Professur ist auf dem Gebiet der Kunststofftechnologie angesiedelt. Dazu zählt auch die Kunststoffverarbeitung. Hauptsächlich forschen wir zu Extrusionstechnologie und Spritzguss, mit der Spezialisierung auf Biokunststoffe. Es geht insbesondere um die physikalische Herstellung von Biokunststoffen sowie deren Verarbeitung zu innovativen Produkten. Konkret wollen wir herausfinden, wie das gleiche Produkt mit weniger fossilem Ressourcenaufwand hergestellt werden kann. Eine wichtige Rolle im Rahmen dieses Nachhaltigkeitsaspekts spielt dabei der Einsatz Biokunststoffe, aber auch das Recycling von herkömmlichen Kunststoffen.
Inwiefern ist Ihre und anwendungsorientierte Forschung insgesamt wirtschaftlich relevant?
Der Nutzen für die Industrie ist immens: Kleine und mittelständische Unternehmen verfügen häufig nicht über die technischen Möglichkeiten, um Versuche durchzuführen. An der Hochschule sind wir technisch gut ausgestattet. Zusammen mit uns können kleine Unternehmen experimentieren. Als Hochschulen für angewandte Wissenschaften arbeiten wir sozusagen als externe Entwicklungsabteilungen der Unternehmen, wobei die Produktideen meist von uns kommen. Ein anderer Vorteil: Durch die Kooperation kommen die Unternehmen früh in Kontakt mit Nachwuchskräften.
Kooperieren Sie eher in der Region oder deutschlandweit?
Sowohl als auch – etwa 40 Prozent der Kooperationen sind deutschland- und europaweit, rund 60 Prozent mit Unternehmen aus der Region. Ein regionales Projekt hat zum Ziel, unser Wissen im Bereich der Biokunststoffe adäquat in die Industrie zu transferieren, damit diese immer auf dem aktuellsten Forschungsstand bleibt. Projekte wie dieses sind längerfristig ein entscheidender Stabilitätsfaktor für unsere Region, in der viele kunststoffverarbeitende Unternehmen angesiedelt sind. Ein anderes Projekt beispielsweise zielt auf die Entwicklung biologisch abbaubarer Agrar-Stretchfolien ab.
Welche Vorteile hat die Kooperation mit der Wirtschaft für Ihre Lehre?
Unsere Zusammenarbeit mit kleinen und mittelständischen Unternehmen bringt einen großen Benefit für die Lehre, denn meine Kenntnis über die Trends in der Industrie gebe ich an meine Studierenden weiter. So gehen sie später mit frischem Wissen in die Unternehmen. Teilweise können im Rahmen von Kooperationsprojekten auch schon während des Studiums Kontakte zu potenziellen Arbeitgebern geknüpft werden.
Wieso unterstützen Sie die hlb-Kampagne?
Um auf den Forschungsstand zu kommen, auf dem ich heute bin, musste ich viel Zeit investieren. Im Hochschulalltag mit 18 Semesterwochenstunden bleibt dafür wenig Raum, also habe ich in meiner Freizeit geforscht. Auch unsere aktuellen Forschungsprojekte sind keine Selbstläufer, sondern beanspruchen viel Zeit. Ich setze mich für eine Reduktion des Lehrdeputats auf 12 Semesterwochenstunden ein, da wir durch größeren zeitlichen Freiraum auch die Möglichkeiten erhalten, deutlich stärker von den Wirtschaftskooperationen zu profitieren. Auch die Forderung nach einem wissenschaftlichen Mitarbeiter je Professur unterstütze ich: Die drittmittelfinanzierten Stellen laufen nach kurzer Zeit aus, wir benötigen aber dringend einen langfristigen Verbleib von Wissen an den Hochschulen. Das ist nur mit einer haushaltsfinanzierten Stelle zu gewährleisten. Die Politik muss die Zeichen der Zeit erkennen und die Hochschulen als Innovationsmotor des deutschen Mittelstandes stärken, damit dieser langfristig konkurrenzfähig bleibt.