Zu welchen Themen forschen Sie?
Mein Team und ich arbeiten in erster Linie an KI-Methoden für Deep Learning und Text Mining. Insbesondere interessieren uns auch Szenarien mit fragmentierten „Datensilos“ oder eher kleinen Mengen von Trainingsdaten. Diese sind für die deutsche Wirtschaft und die Medizin eher typisch. Da unser Fokus seit einigen Jahren auf der Medizin liegt, kooperieren wir häufig mit der Berliner Charité. Wir erforschen zum Beispiel, wie Systeme aufgebaut sein müssen, damit sie auf Basis maschinell gelernter Modelle aus einer ersten ärztlichen Anamnese bis zu 1.200 Diagnosen sowie bis zu 700 Diagnostiken für einen Patienten vorhersagen können. Langfristig sollen diese smarten medizinischen Systeme Ärztinnen und Ärzte in stressigen Arbeitssituationen unterstützen.
Was macht die Forschung an einer HAW besonders?
Forschung an den HAW bedeutet, von Beginn an einen externen Partner dabei zu haben und dessen Probleme in Fragen der Grundlagenforschung zu übersetzen. Dieses Use-Inspired Basic Research ist für mich ein wichtiger Unterschied zur Forschung an den Universitäten. Wir betreiben genauso wie die Universitäten anspruchsvolle Grundlagenforschung. Zusätzlich sind wir in der Lage, die akademische Forschung mit wirtschaftlich nutzbaren Anwendungsfällen zusammenzubringen. In diesem Sinne arbeiten wir mithilfe von Grundlagenforschung an der Lösung konkreter Probleme, die gesellschaftlichen Nutzen bringen sollen. Diese Verknüpfung von Grundlagenforschung mit langfristigen Herausforderungen für die Gesellschaft oder einzelne Branchen können HAW besser.
Welchen gesellschaftlichen Nutzen haben Sie im Blick?
In Anbetracht der großen multinationalen Märkte müssen wir feststellen, dass Deutschland auf den meisten Business-to-Customer-Märkten mittlerweile das Nachsehen hat. In diesen Winner-Takes-Most-Märkten dominieren oft amerikanische Unternehmen und beeinflussen unser Kaufverhalten. Viele Business-to-Business-Märkte sind kleiner und stärker fragmentiert, unsere Unternehmen haben hier viele enge Kundenkontakte. Als KI-Forscher sehe ich etwa in der Medizin großes Potenzial. Wir könnten das Outcome in zahlreichen klinischen Prozessen mittels einer Deep-Patient-Representation gut vorhersagen und dadurch Ärztinnen und Ärzte unterstützen. Andere Beispiele sehe ich im Maschinenbau. Hier forschen wir mit vielen Partnern aus der Wirtschaft – etwa Wirth, Trumpf, Krohne Messtechnik, Atlas Copco oder KEB – im Projekt Servicemeister, an der Unterstützung von Technikerinnen und Technikern durch KI im Service.
Was erhoffen Sie sich von der hlb-Kampagne?
Wichtig ist in erster Linie, dass alle Kampagnenziele durchgesetzt werden. Die Anpassung des Lehrdeputats auf maximal 12 SWS ist nötig, damit Professorinnen und Professoren mehr Zeit für die Forschung haben. Damit meine ich jede Art der Forschung, also Grundlagenforschung wie bei uns oder auch die Überführung von Innovationen mit Praxispartnern. Ebenso brauchen wir das eigenständige Promotionsrecht für forschungsstarke Bereiche (Modell Hessen), um die HAW-Forschung zu stärken. Um Expertise in einem Feld aufzubauen und langfristig zu etablieren, braucht es forschungsstarken wissenschaftlichen Nachwuchs.
Das Promotionsrecht steuert zudem, wer Forschungsgelder erhält. Bei der Verteilung der KI-Milliarden lässt sich das aktuell gut beobachten. Das Geld fließt leider noch überproportional an Universitäten. Wenn uns an den HAW vonseiten der Politik ein geringeres Lehrdeputat und mehr Personal zugestanden wird, ist das die erste Voraussetzung für eine Stärkung. Im zweiten Schritt sollten wir die Mittel erhalten, um unsere Talente wissenschaftlich und wirtschaftsnah auch in der Promotionsphase ausbilden zu können. Das kostet Zeit und Geld. Ich bin da optimistisch, aktuell sind bereits Regelungen zum Promotionsrecht für forschungsstarke Bereiche in vier Bundesländern auf den Weg gebracht worden. Auch in Berlin gibt es jetzt vonseiten der hochschulpolitischen Sprecher Rot-Rot-Grün Rückenwind für dieses Ziel.