Wo kommen wir her?
Es war unter anderem der vom Philosophen und Pädagogen Georg Picht 1964 geprägte Begriff der „Deutschen Bildungskatastrophe“, der – ebenso wie die Veröffentlichungen des liberalen Soziologen und Politikers Ralf Dahrendorf – in den 1960er-Jahren zu einem breiten bildungspolitischen Diskurs in Deutschland führte. Im darauffolgenden sogenannten „Dahrendorf-Plan“, den der Wissenschaftler für das Land Baden-Württemberg erarbeitete, wurden erstmals die Ingenieurschulen und weitere Höhere Schulen als Fachhochschulen bezeichnet und ein Kurzstudium in die Diskussion gebracht – mit Erfolg. In einem Staatsvertrag der Länder wurden am 31. Oktober 1968 die Fachhochschulen als neue Hochschulart eingeführt – auf der Grundlage eines Teils der Höheren Fachschulen und der 144 deutschen Ingenieurschulen.
Die gute Entwicklung der Fachhochschulen in den folgenden Jahren war jedoch begleitet von teilweise erbitterten Auseinandersetzungen mit den Universitäten, auch mit Blick auf die Gleichberechtigung der Lehrenden an den beiden Hochschultypen. Diffamierende Äußerungen wie „Flachhochschule“ oder „Discountprofessor“ machten die Runde. Das Ergebnis nach 30 Jahren „Bohrens harter Bretter“ war jedoch positiv: Universitäten und Fachhochschulen wurden als „anders, aber gleichwertig“ anerkannt. Lehr- und Forschungsfreiheit war auch für die Professorinnen und Professoren der Fachhochschulen selbstverständlich, die sich vermehrt ab dem Jahr 2000 nach Einführung der Bachelor- und Masterstudiengänge „Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HAW)“ nannten.
Wo stehen wir heute?
Anfang der 1970er-Jahre waren die Zahlen an den Fachhochschulen mit über 6.700 Professorinnen und Professoren sowie knapp 110.000 Studierenden in 51 Studiengängen noch übersichtlich. Der akademische Mittelbau fehlte komplett. Heute hingegen bewegen sich die Größenordnungen mit knapp 20.000 Professorinnen und Professoren, 0,71 wissenschaftlichen Mitarbeitern pro Professur und einer Million Studierenden in über 6.100 Studiengängen (2018) auf einem völlig anderen Niveau. 36,6 Prozent aller Studierenden in Deutschland entscheiden sich inzwischen für ein Studium an einer HAW.
Die Betreuungsrelation, die anfangs bei 16,4 Studenten pro Professorin oder Professor lag, hat sich inzwischen auf 50,1 erhöht. Neben der anwendungsorientierten Lehre und Forschung gehören auch Weiterbildung, Wissenstransfer und die Teilnahme an der Hochschulselbstverwaltung sowie ein leider zunehmender Verwaltungsaufwand zum Aufgabenbereich der Professoren – bei einem seit vielen Jahren gleichbleibenden Lehrdeputat von 18 Semesterwochenstunden und einer immer noch unzureichenden Unterstützung durch wissenschaftliche Mitarbeitende. Die zentrale Aufgabe der HAW, den Führungskräftenachwuchs dieser Gesellschaft zu verantwortungsvollem Handeln in einem freiheitlichen, demokratischen und sozialen Rechtsstaat zu befähigen, kommt vor diesem Hintergrund definitiv zu kurz.
Wo wollen wir hin?
Es ist das erklärte Ziel der Politik, den Anteil der Studierenden an den HAW, die zudem in den Regionen verwurzelt sind, weiter auszubauen. Dazu ist eine Stärkung der Professorenschaft an den HAW unabdingbar. Das Ziel des Hochschullehrerbundes heißt deshalb: Erfolg braucht Zwölf plus1, also eine Anpassung des Lehrdeputats auf 12 SWS zur nachhaltigen Qualitätssicherung in Lehre und Forschung und eine volle Mitarbeiterstelle pro Professur für die dazu gehörige wissenschaftliche Unterstützung.
Gekürzte Fassung eines Beitrags von Prof. Dr. Jochen Struwe, Vizepräsident der hlb-Bundesvereinigung sowie stellvertretender Landesvorsitzender des hlb Rheinland-Pfalz. Jochen Struwe ist Professor für Unternehmensführung, Rechnungswesen und Controlling an der Hochschule Trier, Umwelt-Campus Birkenfeld.
Lesen Sie hier den vollständigen Beitrag von Prof. Dr. Jochen Struwe.