Wie war das Corona-Semester für Sie?
Wir haben unsere Lehre an der Hochschule schnell auf Remote umgestellt, sodass die Vermittlung der Lehrinhalte sehr gut lief. Mein didaktisches Motto „Ich sehe Sie“ kann ich in der digitalen Lehre jedoch nicht so verwirklichen wie sonst in der Präsenzlehre. Der Dialog und die Interaktion mit den Studierenden waren im letzten Semester doch eingeschränkt. Auch die Vernetzung unter den Studierenden hat nicht so gut geklappt, besonders schwer ist es für die Erstsemesterstudierenden. Zum Wintersemester werden wir gezielt Studierende dazu anregen, zu Hause in kleinen Gruppen gemeinsame der digitalen Lehre zu folgen. Das vernetzt die Studierenden, gibt Struktur, Motivation und Freude beim Lernen.
Was machen Sie in der forschenden Lehre?
Ich lehre Statistik und Wirtschaftsmathematik. Meine Forschung bezieht sich im Moment hauptsächlich auf die Themen, die sich im Kontext der Abschlussarbeiten meiner Studierenden ergeben. Im Rahmen meiner forschenden Lehre arbeite ich beispielsweise gemeinsam mit einer meiner Studentinnen an einem Projekt zur digitalen Müllabfuhr, also der kommerziellen Inhaltsmoderation von Facebook, WhatsApp und Co., die vor allem auf den Philippinen betrieben wird. In einem anderen Abschlussarbeitsprojekt im Bereich der Nachhaltigkeitsforschung geht es um „Flygskam“, die sogenannte Flugscham. Ich arbeite zurzeit familienbedingt in Teilzeit. Außerdem bin ich Gleichstellungsbeauftragte und Mitglied in der Kommission Lehre und Studium. Darüber hinaus bin ich vielfältig engagiert, etwa in Arbeitskreisen des Netzwerks Hochschuldidaktische Weiterbildung NRW und als Mitglied in der Deutschen Statistischen Gesellschaft. Für eigene Forschung bleibt da leider kaum Zeit.
Wie viel Zeit wenden Sie für die Vorbereitung und Qualitätssicherung von Lehrveranstaltungen auf?
Das hängt von der Art der Lehrveranstaltung ab. In meinem Fach ändert sich das Grundgerüst nicht so schnell, aber ich suche regelmäßig aktuelle Beispiele. Anregungen hole ich mir häufig durch meine außerhochschulischen Aktivitäten wie meine Mitgliedschaft in der Statistischen Gesellschaft. In meiner Lehre stelle ich gerne einen Bezug zu aktuellen Themen her: Im Moment beschäftige ich mich viel mit natürlichen Häufigkeiten in der Statistik, um bedingte Wahrscheinlichkeiten darzustellen. Hierbei spielt die Falsch-positiv-Rate in der Diagnostik eine große Rolle. Diese ist auch gesamtgesellschaftlich von großer Bedeutung, etwa in der Debatte über Pränatal-Diagnostik und HIV-Schnelltests. Eine Kollegin und ich arbeiten gerade gemeinsam mit Studierenden an einem umfangreichen Praxisprojekt mit einem Lebensmittelhersteller. Ein spannendes Projekt, durch Befragungen und Exkursionen jedoch sehr zeitintensiv. Darüber hinaus habe ich eigene E-Tutorials produziert, um meinen Studierenden die Lehrinhalte in meiner Sprache vermitteln zu können. Auch hier kosten Konzeption und Umsetzung viel Zeit.
Was erhoffen Sie sich von der hlb-Kampagne?
Mehr Zeit, um meine Lehre aktuell, modern und qualitativ hochwertig gestalten zu können. Außerdem wünsche ich mir mehr Zeit für intensives Forschen in Zusammenarbeit mit Studierenden. Ich schätze den Input von jungen Menschen. Ziel sollte sein, dass wir unsere Ergebnisse in angemessenen Journals veröffentlichen. Bei einem Deputat von 12 Semesterwochenstunden könnte ich meine Studierenden von Anfang bis Ende des Projekts umfassend betreuen. Das ist einer der bedeutenden Vorteile, den Hochschulen für angewandte Wissenschaften gegenüber Universitäten haben: Als HAW-Professorin bin ich viel näher dran. Ich kann das Potenzial meiner Studierenden, etwa in Hinblick auf wissenschaftliches Talent, sehr gut einschätzen. Durch ein geringeres Lehrdeputat könnte die Zusammenarbeit mit den Studierenden, gerade mit Blick auf forschende Lehre und forschendes Lernen, stark vertieft werden. Das wäre ein großer Schritt bei der Verbesserung der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses.