Professor Leal, können Sie das Projekt „Bio-Plastics Europe“ kurz zusammenfassen?
Wir stellen uns der Frage, wie man nachhaltig mit Plastik umgehen kann. Die Plastikproduktion und der Verbrauch nehmen noch immer stetig zu und wir müssen einen Weg finden, der Situation Herr zu werden. Pro Jahr werden in Deutschland über 18 Millionen Tonnen Plastik produziert, davon wird etwa die Hälfte verbrannt, ein Viertel recycelt und das restliche Viertel weggeworfen und gelangt in die Umwelt. Bis vor vier Jahren hat Deutschland den Großteil des Plastiks an China verkauft. Das geht durch die neue Gesetzeslage nicht mehr; stattdessen exportiert Deutschland nun in andere Länder wie zum Beispiel Malaysia.
Wir versuchen neue Wege des Plastikmanagements zu finden, wie wir mit dieser Menge Plastik umgehen, und auch eine neue Generation von Plastik zu produzieren, z. B. Bio-Plastik, um das herkömmliche Plastik zu ersetzen.
Wie ist das Projekt entstanden und wie haben Sie die 22, teils internationalen, Partner gewinnen können?
Bei dem Projekt handelt es sich um ein EU-Projekt, das im Rahmen des Programms Horizont Europa, einem wettbewerbsintensiven Forschungsprogramm, finanziert wird. Das Projekt hat eine Laufzeit von vier Jahren (2019-2023) und verfügt über ein Gesamtbudget von 8,5 Millionen Euro. Um eine europäische Lösung zu finden, nehmen viele europäische Partner teil. Auf viele Partner aus Universitäten wie auch die Firma Heng Peng in Malaysia konnte man durch ein schon vorher bestehendes Netzwerk zurückgreifen. Die Kontakte bestanden schon vor dem Projekt.
Wie wird das Projekt koordiniert?
Durch eine dezentrale Struktur. Wir arbeiten in verschiedenen Aufgaben- und Forschungsclustern. Die Partner haben eigene Verantwortungsgebiete, zum Beispiel das Testen der Produkte auf die biologischen Eigenschaften oder die Unbedenklichkeit der Produkte für den Menschen und die Umwelt.
Wir arbeiten mit HAW, Universitäten und außeruniversitären Forschungsinstituten zusammen, die die Forschungsarbeit in dem Projekt leisten. Aber auch mit Firmen und Unternehmen, die in dem Bereich Plastik arbeiten, um unsere Ergebnisse umzusetzen. Dadurch gelingt der Transfer der Forschungsergebnisse in die Wirtschaft und kommt den Menschen und der Umwelt zugute.
Gibt es schon erste Ergebnisse, die umgesetzt werden konnten?
Ja, das erste Bio-Plastik-Material wurde bereits erzeugt und wird aktuell getestet. Die Kriterien an das Bio-Plastik sind, dass es natürlich biologisch abbaubar ist, es muss Eigenschaften von herkömmlichem Plastik, wie Flexibilität oder Festigkeit, besitzen, darf aber auch nicht für den Menschen und die Umwelt toxisch sein. Das ist eine Herausforderung. Aber unsere Mission ist, dass wir den Bio-Kunststoff irgendwann mit in den Bioabfall werfen können und nicht mehr in den Gelben Sack.
Gab es bei der Planung bürokratische oder politische Hürden, die durch eine HAW-freundlichere Gesetzgebung vielleicht nicht so aufgetreten wären?
Wir könnten an den HAW generell mehr Forschungsarbeit leisten, wenn uns ein wissenschaftlicher Mitarbeiter, eine wissenschaftliche Mitarbeiterin unbefristet zur Verfügung stehen würde. Durch das EU-weite Verbot von Einweg-Nutzung herkömmlichen Plastiks in vielen Bereichen, zum Beispiel Einweg-Plastikbesteck, haben wir eine gute Grundlage, um die Forschung nach Bio-Plastik zu beschleunigen. Der Bedarf ist da und wir bekommen die Mittel, um qualifiziertes Personal für unser Forschungsprojekt befristet einzustellen. Die großen Kunststoffhersteller haben bisher nur ein begrenztes Interesse an der Herstellung von Biokunststoffen gezeigt. Sie wurde nun von der Gesetzgebung „wach geküsst“ und das vereinfacht natürlich die Finanzierung.
Was kann man als deutsche Hochschule für angewandte Wissenschaften von den internationalen Partnern lernen?
In Europa gibt es unterschiedliche Traditionen für die HAW. In beispielsweise Finnland und Schweden sind die HAW sehr aktiv in der Forschung und ein gutes Beispiel für Deutschland. In vielen anderen europäischen Ländern haben sich die HAW leider oft mit ihrer Rolle als reine Lehrreinrichtung abgefunden und betreiben keine Forschung. Hier können wir zeigen, was Forschung an HAW kann. Ich bin sicher, dass dieses Projekt, wie auch viele andere Projekte bundesweit, aufzeigt, dass auch Hochschulen für angewandte Wissenschaften Spitzenforschung betreiben. Sie sind in der Lage, durch die Praxisnähe Wettbewerbe zu gewinnen und auf Augenhöhe mit den Universitäten zu forschen.
Wie funktioniert Transfer in den Ländern Ihrer Projektpartner?
Ähnlich wie bei uns. Wir haben vielleicht den Vorteil, dass unsere Unternehmen die Zusammenarbeit mit den HAW gewohnt sind. Dennoch sind die HAW in Europa, insbesondere in Skandinavien, meist besser gefördert als bei uns. Es gibt keine Diskriminierung der angewandten Forschung bei Forschungsgeldern. In Schweden beispielsweise ist der Status der Hochschule für die Drittmitteleinwerbung unbedeutend. In Deutschland werden bei der DFG die HAW gegenüber den Universitäten benachteiligt, daher liegt nun alle Hoffnung bei der angekündigten DATI.